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Hamburg, 15. Juni 2023

KI in der Audioproduktion

alt= "Porträt Justin Best"

Was bedeutet Künstliche Intelligenz für die Produktion von Audiospots?

3 Fragen an… Justin Best von ANY EVER über die Chancen und Risiken von KI in der Audioproduktion

Spätestens seit ChatGPT online gegangen ist, ist Künstliche Intelligenz den meisten Menschen ein Begriff. Manche sehen darin die größte Chance für unsere Gesellschaft, seit es das Internet gibt. Andere wiederum warnen vor den Risiken, die mit der Technologie einhergehen. Unbestritten ist: Das Angebot an Tools, die KI nutzen, wächst rasant und so können längst auch Bild-, Video- und Tonmaterial „künstlich“ erschaffen werden.

Was bedeutet KI für die Produktion und Kreation von Audiospots?

Ronja Böhlke hat mit Justin Best, Head of Strategy & Consulting bei ANY EVER, der Full-Service Agentur für Audiomarketing, gesprochen und ihn nach seiner Meinung zu KI in der Audioproduktion gefragt.

 

Lieber Justin, die provokativste Frage gleich zu Beginn: Wird die KI den Menschen irgendwann bei der Produktion von Audiospots ersetzen?

Ja, das wird sie. Daran habe ich keine Zweifel. Allerdings kann sie das aktuell noch nicht, denn die nötige Qualität sowie auch das nötige Feingefühl für Sprache und Betonung sind noch ausbaufähig. Ein professionelles Tonstudio schlägt heute eine KI im direkten Vergleich um Längen. Das Problem daran: HEUTE. Die Lernkurve und die Entwicklung von KI generell und natürlich auch in puncto Sprachsimulation wird mit einer Geschwindigkeit voranschreiten, die wir so noch nicht erlebt haben.

Das zweite Problem hören wir leider jeden Tag in den Werbeblöcken der Radiosender: Die Marketingbranche kommt der KI auf halbem Weg entgegen. Denn das kreative Niveau von Werbung oder auch der qualitative Anspruch an einen produzierten Radio- oder TV-Spot sinkt immer weiter.
Viele Marken legen meiner Meinung nach immer weniger Wert auf die kommunikative Differenzierung vom Wettbewerb. Auf Haltung und starke Ideen. Auf perfekte Inszenierung und Exekution. Wenn ich mit austauschbarem Marketing umherwabere, mich eh schon genau so anhöre wie meine zwölf Konkurrenten, dann kann zukünftig auch eine KI meine Radiospots erstellen und produzieren.

Wie immer haben wir es selbst in der Hand. Je austauschbarer wir uns machen, je weniger Herzblut wir in Kampagnenideen und die Exekution eben dieser stecken, umso schneller können wir ersetzt werden.

„Die digitale Welt dagegen ist eine vermeintlich perfekte. Aber halt auch eine kalte Welt. Und eigentlich möchten Kunden mit ihren Kampagnen ja Emotionen wecken, Menschen bewegen und Werte verkörpern.“

Wo siehst du die größten Herausforderungen und Risiken durch KI, aber perspektivisch auch Chancen?

Lasst uns mit den Chancen starten, dann lächle ich zumindest ein bisschen, während ich antworte.
Wie schon gesagt, erleben wir viel Einheitsbrei in Werbeblöcken. Alles wird austauschbarer und weichgespült – wehe, wir ecken irgendwo mal an. Und genau das ist die größte Chance, zumindest mittelfristig. Es war, glaube ich, selten so einfach, positiv aufzufallen oder sich abzuheben wie in der heutigen Zeit. Außerdem lieben Menschen das Unperfekte. Das Echte. Klingt doof, ist aber ganz einfach: Weil es menschlich ist. Es fühlt sich warm und nahbar an. Die digitale Welt dagegen ist eine vermeintlich perfekte. Aber halt auch eine kalte Welt. Und eigentlich möchten Kunden mit ihren Kampagnen ja Emotionen wecken, Menschen bewegen und Werte verkörpern.

Die größten Risiken sehe ich vor allem im Bereich von Deep Fakes. Wenn sich künstliche Intelligenz in der Sprache so entwickelt, wie ich es befürchte, dann kann ich bald schon Deine Mama anrufen und um eine kleine Finanzspritze bitten. Mit Deiner Stimme. Ich füttere eine KI mit Sprachnachrichten aus einem WhatsApp-Chat und kann am Telefon eine andere Person sein – zumindest so lange bis die Überweisung da ist… Das Gleiche funktioniert im Übrigen auch im Videobereich: Mit genügend Bildern ist es heute schon möglich, einen Porno mit einer Person „zu drehen“, die eigentlich nie mitspielen wollte. Das sind drastische Beispiele, aber sie mahnen uns sehr zur Vorsicht. Wenn wir es ein bisschen weniger dramatisch machen möchten: Wem gehören die Rechte an einem Song, den eine KI geschrieben und produziert hat? Wer ist für den Inhalt verantwortlich, wenn es in eine falsche Richtung läuft?

Es ist klar, worauf ich hinaus möchte. Bevor ich noch weiter aushole: Es muss einen gesetzlichen Rahmen für diese Themen geben. Und dabei haben wir über die großen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen, wie eine mögliche Massenarbeitslosigkeit, noch gar nicht gesprochen. In einer romantischen Welt haben wir vielleicht daran gedacht, dass wir in zehn Jahren alle Bücher schreiben und uns verwirklichen können, während die Roboter unseren Haushalt erledigen und staubsaugen. Wenn wir nicht aufpassen, sehe ich uns staubsaugen, während die Roboter (KI) zukünftig die Bücher schreiben werden.

„Natürlich gehört zu einer erfolgreichen Kampagne mehr als nur gute Kreation. Aber man muss sich bewusst sein, dass es die Kreation ist, die bei den Hörer*innen einen akustischen Fußabdruck der Marke hinterlässt.“ In diesem Beitrag hat Justin Best die Frage beantwortet, warum gute Kreation für einen Audiospot so wichtig ist.

Wie geht ihr bei ANY EVER ganz konkret mit KI und den damit verbundenen Chancen und Risiken um?

Auch wir nutzen für manche Themen schon heute KI. Nicht in der Kreation und Produktion von Radiospots, aber überall dort wo sie Menschen effizient unterstützen kann. Grundsätzlich ist Weiterbildung bei uns ein zentraler Bestandteil, gemeinsam mit maximaler Flexibilität in der Organisationsentwicklung. Wir sind der festen Überzeugung, dass tiefes Wissen über das Thema am Ende Vorsprung bedeuten wird. Das nötige Handwerkszeug dazu holen wir uns bei ANY EVER sowohl intern ein, aber auch durch externe Experten, Schulungen und Vorträge.

 

Vielen Dank, lieber Justin, dass du dir die Zeit genommen und das Thema für uns eingeordnet hast! Wir sind in jedem Fall gespannt, wie sich KI in der nächsten Zeit weiterentwickelt.

 

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