Stimmtraining
Starke Stimme – starker Auftritt?
Wir nutzen täglich unsere Stimme, ohne wirklich darüber nachzudenken. Dabei wird ein selbstbewusster Auftritt, sei es im Beruf oder im Alltag, auch maßgeblich von unserer Stimme geprägt. In unserem Interview mit Kat Wulff tauchen wir tief in die Welt der Stimme und des Stimmtrainings ein, um zu verstehen, warum es sich lohnt, die eigene Stimme genauer zu betrachten und zu trainieren.
Kat ist Sängerin, Songschreiberin, Speakerin und Stimmtrainerin – und das seit über 20 Jahren. Eigene Stimmprobleme wurden für sie zur Triebfeder, sich intensiv mit Stimmthemen auseinanderzusetzen. Ihr Wissen gibt sie nun in Form von Workshops und Coachings weiter und unterstützt dabei die eigene Stimme zu finden und zu stärken.
Liebe Kat, warum lohnt es sich beim Thema Stimme doch mal etwas genauer hinzuschauen und die eigene Stimme besser kennenzulernen?
Unsere Stimme ist das Kommunikationsmittel Nr 1 – neben Gestik und Mimik natürlich. Gerade im Job fungiert sie als akustische Visitenkarte, die auf den ersten Blick überzeugt und Vertrauen aufbaut oder eben nicht. Die Stimme ist also ein Erfolgsfaktor. Und an dem kann man feilen. Denn anders als viele annehmen, ist eine starke Stimme nicht „gottgegeben“, sondern auch das Resultat von regelmäßigem bewussten Training.
Bei der Stimmgebung sind viele kleine und große Muskeln involviert. Zwerchfell und Stützmuskulatur, die Kehlkopfmuskulatur, aber auch Lippen- und Kiefermuskeln. Werden diese nur wenig genutzt, verkümmern sie oder erbringen schlicht nicht ihre volle Leistung. Das ist beim Sport ja nicht anders.
Im Job fungiert die Stimme als akustische Visitenkarte, die auf den ersten Blick überzeugt und Vertrauen aufbaut oder eben nicht.
Für den normalen „Hausgebrauch“ reicht die Stimmkraft meist, schwierig wird´s, wenn besondere stimmliche Herausforderungen anstehen, langes Reden, hohes Grundrauschen und Auftritte vor Publikum. Da ist es sinnvoll, sich Unterstützung zu suchen. Ein Stimmcoaching erweitert die stimmlichen Fähigkeiten und trainiert Atmung, Ausdauer, Stimmklang, Kraft und Artikulation. Es ist eine Möglichkeit das eigene Stimmpotential zu erkunden und bewusster einzusetzen. Es verstärkt das Wohlgefühl und die eigene Wirkung.
Wichtig ist, die Stimme nicht separiert zu betrachten. Sie ist ein sensibles Instrument und reagiert auf allerlei äußere wie innere Einflüsse. Es ist hilfreich diese Zusammenhänge zu kennen und Körper, Kopf und Stimme als EIN System zu betrachten.
Ein schwieriges Telefonat, eine Präsentation, ein wichtiges Meeting — oft lässt uns die Stimme genau dann im Stich, wenn wir sie eigentlich gerade am meisten brauchen… Kann ein Stimmtraining helfen, um in solchen Momenten eine starke Stimme zu behalten?
Unbedingt! Viele Menschen sind grundsätzlich mit ihrer Stimme zufrieden (außer wenn sie sich auf dem AB hören😉), bekommen aber Probleme bei öffentlichen Auftritten und wichtigen Jobterminen. Kein Wunder, denn hier ist meist ordentlich Adrenalin und Cortisol im Spiel, Nervosität sei Dank.
Bis zu einem gewissen Maße kann dies beflügeln. Oft sorgt es aber eher für Unwohlsein und Verspannungen. Folgen sind Enge im Hals, eine hochgerutschte, dünne oder belegte Stimme oder gar Heiserkeit.
Warum? Bei Stress und Lampenfieber greift der alte Fluchtreflex. Die Energie wandert in die Extremitäten, die inneren Organe und die sensiblen Muskeln rund um den Kehlkopf verspannen und verhindern so eine normale „physiologische“ Stimmgebung.
Verhindern kann man dies durch eine langfristige stimmliche wie mentale Vorbereitung sowie durch kurzfristig wirkende Atem- und Lockerungsübungen. Ich habe einen „Notfallkoffer“ an Tools, die wirklich nicht viel Zeit kosten aber einen echten Unterschied machen.
Wichtig ist zu schauen, wo die Fallstricke jedes einzelnen liegen. Manchmal ist es eine zu schwache oder zu verspannte Muskulatur, mal sind es alte Glaubenssätze, die im Weg stehen. Manchmal muss man aber auch die Rahmenbedingungen (Vorbereitung, Setting etc.) verändern, um mit mehr Leichtigkeit und Souveränität auftreten zu können.
Übrigens: Bei LinkedIn teilt Kat viele Tipps und Tricks rund um das Thema Stimme und Stimmtraining.
Besonders Frauen wird oft gesagt, sie müssten selbstbewusster und selbstsicherer auftreten – Kann eine starke Stimme dabei helfen und gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Puncto Stimme?
Männer und Frauen haben in puncto Stimme unterschiedliche Voraussetzungen. Durch die längeren Stimmlippen und den meist größeren Resonanzkörper klingen Männerstimmen dunkler, voller und sonorer. Frauen haben kürzere und meist dünnere Stimmlippen und haben dadurch einen helleren Sound.
Häufig wird Frauen gesagt, dass sie lauter sprechen müssen und werden mit ihren männlichen Kollegen verglichen. Das ist nicht hilfreich und führt zu unnötig viel Druck. Konsequenz: Die Stimme rutscht nach oben und wird zittrig. Und: Die Frau wird nicht ernst genommen.
Wichtig für einen selbstsicheren Auftritt, egal ob Mann oder Frau, ist eine positive Grundhaltung. Und da ist dann Stimmtraining oft gleichzeitig Persönlichkeitsentwicklung.
Was hilft? Sprechen lernen im „stimmlichen Heimathafen“, der sogenannten Indifferenzlage. Diese liegt im unteren Drittel unserer Stimmrange. Die Stimme klingt hier etwas dunkler und besonders angenehm im Ohr des Zuhörers.
Weiterer Tipp: Soundtechnik nutzen! Ich empfehle für Vorträge und Präsentationen vor mehr als 20 Personen immer ein Mikro. Das verhindert ein undifferenziertes „Schreien“ über das Publikum und ermöglicht eine nuancierteres Spiel mit der Stimme. Lautstärke- und Tempiwechsel sowie Emotionen, all das macht einen Vortrag – neben dem Inhalt – ja erst richtig spannend.
Übrigens: Auch der weibliche Zyklus verändert den Stimmklang. Es lohnt zu reflektieren, wann die eigene Stimme strahlt und wann sie eher matt und müde klingt. Hormone haben auch hier einen großen Einfluss, natürlich auch später bei den Wechseljahren.
Wichtig für einen selbstsicheren Auftritt, egal ob Mann oder Frau, ist eine positive Grundhaltung. Und da ist dann Stimmtraining oft gleichzeitig Persönlichkeitsentwicklung.
Liebe Kat, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, um unsere Fragen zu beantworten!